Vielleicht erinnert sich noch jemand an meine Ode an die Heimat. Nun fiel mir dieser Tage ein Buch in die Hände. Naja, eigentlich wollte ich bei Lehmanns nur meine Zeit überbrücken, während meine Holde bei DM ihren Spiegelschrank wieder reichhaltig bestücken konnte. Wie gesagt, ich stöberte am Bestseller-Regal, um mal zu schauen, was der Michel denn da so auf dem Nachtschrank zu liegen hat. Das Cover des Objektes, was mir dann auffiel, erinnert zwar eher an einen Reisebericht in die Tropen (wegen dem Hut), aber das Schaf auf dem Arm des Autors machte diesen Gedanken absurd. „Geschichten aus der arschlochfreien Zone“ im Untertitel weckten dann mein Interesse. Wo liegt das denn, dachte ich mir? Ich will auch da hin. Und griff zu.
Schon beim Lesen des Klappentextes wurde mir dann klar: Ich muss da nicht hin, ich bin ja schon da. Der Schweizer Dieter Moor (den ich bereits kannte) schrieb ein Buch über seine neue Wahlheimat, die er mit seiner österreichischen Frau Sonja quasi „ins Blaue“ bezog . Brandenburg. Nein, er schrieb kein Buch, er schrieb einen 275-Seiten starken Liebesbrief. Und da alles, was meine Heimat betrifft, irgendwo meine melancholische Ader triggert, erwischte ich mich während des Lesens ständig beim Lächeln, Glucksen und ja, auch eine halbe Träne drückte sich durchs Knopfloch.
Nach 2 Tagen hatte ich das Werk durchdrungen, die Nachwehen wirken immer noch, und deshalb diese Buchempfehlung. Im Prinzip kann man alle handelnden und beschriebenen Personen fast 1:1 in jede brandenburgische Ecke setzen, es gibt sie überall. Jedes Dorf hat seinen Teddy, seine Frau Widdel, seinen Bauer Müsebeck, seinen Krüpki und seine Schwester Alma. Auch Gestalten wie „der Eingemauerte“, der westdeutsche Banker und Schlossbesitzer (treffend von der Dorfgemeinschaft als „Raubritter“ bezeichnet) und der intellektuelle Schönemann, der aus dem Dorfkonsum die einzige „Die Zeit“ bezog. Das Problem kenn ich übrigens, wenn man hier an der Tankstelle nicht rechtzeitig kommt, isse weg. Wenn sie überhaupt mal da ist.
Auch die Problematik von Zappelorgien gehirnamputierter Techno-Jüngern auf alten Flugplätzen, Nazi-Besuche beim Feuerwehrfest und Rudelbildung mit braunen Flaschen am Konsum sind vom Autor aufgrund eigener Erlebnisse akribisch analysiert worden. Ereignisse also, die in keiner Dorfchronik brandenburger Art fehlen.
Sein kontrollbesessenes, neurotisches schweizer-Über-Ich greift ab und zu nochmal den begeisterten Zugezogenen an, verschwindet aber schnell verschämt im Nirvana. Schliesslich wird Dieter Moor durch die Person „des Eingemauerten“ mit dieser pingelige Nervensägenart konfrontiert. Und erkennt, dass es nicht hier her passt. In diese Landschaft der ehrlichen Schnauze und deren Menschen, die nichts darstellen, sondern einfach so sind. Direkt, authentisch und geradeaus. Und offen allen gegenüber, die das erkennen und einhalten.
Wer mehr über den Werdegang der erfolgreichen Einlebung erfahren will und was die Beiden da leisten, sollte hier mal schauen:
http://www.modelldorf-hirschfelde.de/
Ich könnte jetzt noch weiter begeistert sein, aber belasse es dabei. Soll sich jeder selber Das Werk zu Gemüte führen.
Hier das Cover zur Orientierung im Fachhandel.